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Freiräume erhalten

Freiräume erhalten
Das Jugendzentrum Contrast in Konstanz vor dem Aus?









Die Stadt Konstanz kann sich freuen, denn sie hat ihren Bewohnern eine ausgewogene kulturelle Szene zu bieten. Die alternativen Kulturangebote der verschiedenen Kulturvereine der Stadt Konstanz leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Doch auch für die Kulturvereine wird der finanzielle Kampf immer härter. Vor allem die Konzertkosten sind in den letzten Jahren rapide gestiegen, da Bands sich heute nicht mehr durch den Verkauf von Tonträgern finanzieren können, sondern ihr Geld durch höhere Konzertgagen erwirtschaften müssen. Hinzu kommen noch gestiegene Nebenkosten wie etwa hohe Anfahrtskosten durch gestiegene Benzinpreise. Auch Discos und Tanzveranstaltungen werden zunehmend unrentabel, da durch die verschiedenen Großraumdiscos, die sich mittlerweile in Konstanz und der Umgebung etabliert haben, die Konkurrenz immer weiter steigt und die Besucher aus bleiben. Diese Verschiebung der Verhältnisse bringt viele Kulturvereine in eine finanzielle Schieflage.
Auch das selbst verwaltete Jugendzentrum Contrast, dessen Träger der Jugend Kultur Verein ist, steckt in einer Krise. Zwar wird der Verein durch einen Mietzuschuss aus dem Jugendfond der Stadt Konstanz unterstützt, trotzdem steht er vor einem Schuldenberg in fünfstelliger Höhe. Zudem ist das Verhältnis zum Vermieter der Räumlichkeiten des Contrast, der Evangelischen Studentengemeinde (ESG), äußerst problematisch. Die ESG fordert die Rückzahlung von Mietschulden und kann sich aus verschiedenen Gründen ein Fortführen des Mietverhältnisses in der bisherigen Form nicht vorstellen. Wenn der Verein seine jetzigen Räumlichkeiten verliert, kann das Fortbestehen des Projekts nicht gewährleistet werden, denn ein alternativer Raum für ein selbst verwaltetes Projekt ist nicht in Sicht. Welche Folgen hat es, wenn eine wichtige Institution der Jugendförderung in Konstanz ihre Pforten schließen muss?
Das Contrast ist eines der wenigen selbst verwalteten Jugendzentren im Bodenseeraum und wird zu 100% auf ehrenamtlicher Basis geführt. Das bedeutet, hier wird Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Möglichkeit geboten unabhängig vom kommerziellen Freizeitangebot ihr Leben zu gestalten und sich vor allen Dingen selbst in die Gestaltung eines Kulturprogramms einzubringen. Die Vereinsstruktur stellt Chancengleichheit unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder sozialer Stellung sicher und macht ein solidarisches Miteinander erfahrbar. Das Konzept der Selbstverwaltung fördert das Demokratieverständnis der Jugendlichen und bietet jedem die Möglichkeit, sich kreativ einzubringen und Verantwortung zu übernehmen. Darüber hinaus können im Contrast Fähigkeiten erworben werden, die im späteren beruflichen Leben einen hohen Stellenwert einnehmen wie zum Beispiel Medienkompetenz, Veranstaltungsmanagement oder der Umgang mit technischen Geräten wie Licht- und Tonanlagen. Das Contrast hat einen dezidiert gesellschaftspolitischen Anspruch. Selektive Schulsysteme, Arbeitslosigkeit und prekäre Lebensbedingungen führen zu einer Individualisierung der Gesellschaft. Dem will das Contrast durch ein solidarisches Miteinander entgegenwirken, das Grenzen wie ethnische Herkunft oder soziale Schichten sprengt. Sexismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus haben hier keinen Platz. Um das politische Bewusstsein für diese Dinge zu schärfen, beteiligt sich das Contrast an verschiedenen Projekten zur Förderung des Zusammenlebens von Menschen verschiedener Herkunft wie zum Beispiel der Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ oder der „Stolperstein Initiative“. Außerdem erarbeitet das Contrast im Moment in Gemeinschaft mit dem Konstanzer Aufruf gegen Neofaschismus und SchülerInnen aus Singen eine CD gegen Rechtsextremismus am Bodensee mit Stücken von regionalen und internationalen Bands. Über das Kulturangebot hinaus, bietet das Contrast zweimal die Woche einen offenen Jugendtreff an, der durch Honorarkräfte des Sozial- und Jugendamtes begleitet wird und durch die finanzielle Förderung der Stadt ermöglicht wird. Beim offenen Jugendtreff wird, im Gegensatz zum abendlichen Barbetieb und bei Konzerten, kein Alkohol ausgeschenkt. Die intensive Kooperation mit dem Sozial- und Jugendamt funktioniert sehr gut. Das Contrast arbeitet auch mit der Staatsanwaltschaft gut zusammen, denn es bietet straffällig gewordenen Jugendlichen an, dort ihre Sozialstunden abzuarbeiten. Natürlich tauchen in einem Verein, der hauptsächlich von jungen Menschen getragen wird, auch immer wieder Probleme auf wie zum Beispiel Unordnung und Lärm. Nicht immer läuft alles reibungslos ab. Hier hilft nur der Dialog mit den Betroffenen und die Bereitschaft Kritik und Verbesserungsvorschläge anzunehmen.
Das Contrast bietet jungen Heranwachsenden in vielerlei Hinsicht ein sichereres Umfeld als kommerzielle Betriebe. Hier gibt es kein Flatrate-Saufen, denn das Erzielen von möglichst hohem Umsatz ist nicht das Ziel des Vereins. Hier gibt es keinen Missbrauch von Drogen, keine Schlägereien.
Immer mehr Jugendzentren in ganz Deutschland werden geschlossen. Gleichzeitig wird lautstark darauf hingewiesen, dass sich Jugendliche, gelangweilt und scheinbar perspektivlos, auf der Straße zusammen tun und alkoholisiert und unter dem Einfluss von Drogen von der Polizei aufgegriffen werden. Wenn Freiräume für Jugendliche verschwinden, erhöht sich das Gewaltpotenzial unter jungen Menschen. Langeweile entsteht durch die eingeschränkten Möglichkeiten zur Selbstentfaltung und fördert den Konsum von Alkohol und Drogen. In Anbetracht der Tatsache, dass Orte wie der Zähringerplatz nicht zuletzt durch alkoholisierte Jugendliche zum sozialen Brennpunkt werden, an denen randaliert und Passanten angepöbelt werden, stellt sich die Frage, was passieren wird, wenn es eine wichtige Anlaufstelle für Jugendliche weniger in der Stadt gibt. Ohne Jugendzentrum, das durch sein selbst verwaltetes Konzept junge Menschen zur selbstständigen Freizeitgestaltung einlädt, haben Jugendliche eine Perspektive weniger.
Wie und ob es mit dem Contrast weiter geht, bleibt bis auf weiteres offen.
Die endgültige Entscheidung wird unter den Anwälten der ESG und dem des Contrast getroffen werden. Muss das Contrast schließen, so fehlt in Konstanz ein Ort, der wichtige politische und kulturelle Bildungsarbeit leistet, die weit über das schulische Wissen aus Geschichte- und Gemeinschaftskundeunterricht hinausgeht. Ein wichtiger Bestandteil der Jugendförderung würde wegfallen, denn Jugendliche hätten nicht mehr die Möglichkeit, sich aktiv in Veranstaltungen und Aktionen einzubringen. Wenn das Contrast schließen muss, wird vielen jungen Menschen eine Chance zur Partizipation genommen und Selbstverwirklichung eingeschränkt.
EvaB

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